Einen Reiseführer zu schreiben ist ziemlich herausfordernd – so viel ist zu recherchieren und zu bedenken. Wie die Arbeit konkret aussieht, beschreibt in diesem Gastbeitrag die Südtirolerin Susanne Gurschler, die gerade einen umfangreichen Guide über Tirol herausgebracht hat. Sie ist wie ich im Berufsnetzwerk texttreff, in dem sich Autorinnen, Journalistinnen, Übersetzerinnen, PR-Fachfrauen und Lektorinnen austauschen. Zu Weihnachten gibt es die schöne Sitte des „Blogwichtelns“ und Susanne und ich wurden einander zugelost. Mein Beitrag folgt in den nächsten Tagen auf ihrem Blog. Nun fällt halt Weihnachten auf Ostern und das ist bei uns Vielbeschäftigten auch in Ordnung.
Susanne Gurschler: 111 Orte in Tirol
Vor wenigen Tagen ist mein Buch „111 Orte in Tirol, die man gesehen haben muss“ erschienen. Aufregende Tage für mich: Mein Herzensprojekt, an dem ich ein Jahr lang gearbeitet habe, geht auf Reisen.

© Emons Verlag
Fast zwei Jahre ist es her, da las ich „111 Orte in Südtirol, die man gesehen haben muss“ von Sabine Gruber und Peter Eickhoff und stellte es auf meinem Blog als „Buch des Monats“ vor. Gekauft habe ich es wegen der Schriftstellerin Sabine Gruber, deren Bücher ich sehr schätze, und weil ich – wie sie – gebürtige Südtirolerin bin, und immer ein Auge darauf habe, was in meiner alten Heimat passiert. Denn ich lebe seit über 25 Jahren in Innsbruck.
„Die Themenreihe ‚111 Orte‘, die im Emons Verlag erscheint, finde ich an sich schon genial (…) Bei Südtirol musste ich natürlich zuschlagen, da komme ich schließlich her. Und ich liebe es, wenn mich jemand auf eine Entdeckungsreise durch Gebiete mitnimmt, die ich zu kennen glaube, wenn mir jemand neue, skurrile, schräge, spezielle, ungewöhnliche Blicke auf scheinbar Bekanntes eröffnet – oder Bekanntes einfach wieder in Erinnerung ruft“, schrieb ich damals in meinem Blog.

HNRX: Ziemlich pfiffige Street Art in Innsbruck © Susanne Gurschler
Ich dachte: Wie wäre es mit „111 Orte in Tirol, die man gesehen haben muss“?
Die Eingebung, auf die ich gewartet hatte. Schon länger wälzte ich Ideen für ein neues Buch, bei den 111 Orten in Tirol hatte ich sofort das Gefühl: Meins!
Um so größer der Bammel, den Verlag anzuschreiben. Was, wenn die 111 Orte in Tirol schon vergeben sind? Es brauchte einen kräftigen Ruck – Wink an Daniela Pucher und Lisa Graf-Riemann –, um die E-Mail abzuschicken und siehe da: Tirol war frei! War zu haben!
Danach ging es sehr flott. Ich schickte erst einmal 50 mögliche Orte, was mir nicht schwerfiel: 16 Jahren als Kulturjournalistin mit Faible für Geschichte und Tourismus, da hat frau einiges in petto. Dazu zwei Probetexte und Fotos, denn die wollte ich – ambitionierte Hobbyfotografin, die ich bin – selber machen.

Ziemlich fluffige Belohnung auf der Tribulaunhütte © Susanne Gurschler
Da Tirol eine große Region ist, beschloss der Verlag, Osttirol ein eigenes Buch zu widmen, ich sollte mich auf Nordtirol konzentrieren – immer noch weitläufig genug von Erl bis Reschen, von Tannheim bis Fieberbrunn, von Galtür bis Kitzbühel.
Für die 111 Orte befragte ich zusätzlich Freunde und Bekannte und nutzte meine beruflichen Kontakte. Binnen kürzester Zeit hatte ich eine feine Auswahl zusammen, mindestens noch einmal so viele in der Hinterhand und von Verlagsseite die Freiheit, die Liste jederzeit zu ändern, sollten sich neue Orte auftun. Also alles ganz nach meinem Geschmack.
Fast ein Dreivierteljahr war ich jede freie Minute unterwegs in Tirol, stets mit offenen Augen, ob ich nicht hier oder dort einen weiteren Ort, etwas Neues entdecken würde. Es war eine spannende Zeit, ich habe viel gesehen, viel gelernt, es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Und es war – ich sage es frei Schnauze – verdammt viel Arbeit!

Ziemlich bester Begleiter: Sir Linus ©Susanne Gurschler
Recherchieren im Internet, in Büchern und in Archiven, Termine vereinbaren, Gespräche führen, Listen erstellen, Orte besuchen, Orte streichen, andere hinzufügen. Ich musste ja alle aufsuchen, auch solche, die ich bereits bestens kannte, schon der Fotos wegen. Rund 5.000 Fotos habe ich gemacht, rund 3.000 zu den Orten, die letztlich ins Buch kamen.
Dazu kam: Bei vielen Orten spielte das Wetter eine zentrale Rolle. Ich geh ja bei jedem, aber nicht unbedingt überall rauf und eine Schutzhütte im Nebelkleid hat auf einem Foto nur bedingten Reiz. Und ja, ich kann sagen: Ich hatte im Sommer 2015 mächtig Hilfe von Petrus! Ein fantastischer Sommer, so viele schöne, strahlend blaue Tage. So viele Gelegenheiten. Nicht auszudenken, das Wetter hätte auf Miesepeter gemacht.

Ziemlich streitbarer Priesterarchitekt – Franz de Paula Penz (der Grauhaarige im Hintergrund) © Susanne Gurschler
Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich unterwegs war, wie viele ich am Schreibtisch saß, viele ich geschrieben haben. Ich habe sie nicht notiert: Es war mein Herzensprojekt. Für manchen Ort war ich einen halben Tag, für andere einen ganzen unterwegs, manche erwiesen sich als nicht so spannend, wie ich geglaubt hatte, andere ließen sich partout nicht fotografieren, bei manchen sagten die Besitzer nein. Einige Orte musste ich daher, schweren Herzens, von meiner Liste streichen.
Als Herausforderung erwies sich immer wieder, bereits vor Ort die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel zu notieren – wie oft habe ich das vergessen! – und die Anfahrtsdaten. Nicht immer kam ich auf dem kürzesten Weg hin, manchmal hatte ich den Ortsbesuch mit einem anderen kombiniert. Gott sei dank gibt es Routenplaner.
Schließlich hieß es, einen Punkt setzen. Der Abgabetermin rückte näher. Ich hatte zwar schon einige Rohtexte verfasst, aber bei weitem nicht so viele, wie ich mir vorgenommen hatte. Und ich musste ja nebenher noch Geld verdienen.

Ziemlich weit oben: Am höchsten Straßenpunkt Europas © Susanne Gurschler
Ich habe alles hingekriegt bis zum Abgabetermin, habe dafür zehn, zwölf, vierzehn Stunden und länger geackert, kein Wochenende – an Urlaub war 2015 gar nicht zu denken gewesen. Geschafft. Natürlich. Am 15. Oktober letzten Jahres gingen meine 111 Orte an den Verlag.
Der Schwierigste war loszulassen. Wenn man sich gedanklich so lange und vor allem so intensiv mit etwas auseinandersetzt, kommt nach dem ersten Gefühl der Befreiung ein Gefühl der Leere, gefolgt von Zweifeln: Ist diese Zahl richtig? Habe ich das korrigiert? Den Namen richtig geschrieben? Das richtige Foto ausgewählt?
Ich bekam die „111 Orte in Tirol, die man gesehen haben muss“ noch mehrmals zur Durchsicht und Korrektur. Dann die letzte Korrekturschleife. „Morgen geht es in die Druckerei“, schrieb mir die Dame vom Emons Verlag, der mich wirklich ganz toll unterstützt hat. Nun hieß es: Endgültig loslassen! Fiel mir nicht leicht, muss ich sagen.
Jetzt ist es da, mein Buch, mein Herzensprojekt. Ich halte es in Händen, freue mich riesig und hoffe, dass meine 111 Orte gut ankommen. Susanne Gurschler
Danke an Susanne Gurschler für die Mühe, nach dem Schreiben des Buches noch mal das Werden zu beschreiben. Ich wünsche von Herzen viel Erfolg!
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